Joschka Fischer fordert Antworten von den Europäern

"Die Gespenster kommen wieder", schreibt Joschka Fischer, der ehemalige grüne Bundesaußenminister, in einem Namensartikel für die Süddeutsche Zeitung. Aufhänger ist der Beginn des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren. Doch nutzt Fischer geschickt die Gelegenheit, Parallelen zur Jetztzeit zu ziehen. Die sind keineswegs erfreulich, auch wenn die Situation 1914 und 2014 nicht im mindesten vergleichbar ist. Fischer bemerkt zu Recht: "Der zentrale Unterschied zum Juli vor hundert Jahren besteht darin, dass es sich bei den machtpolitischen Konflikten nicht mehr um Konflikte innerhalb Europas handelt." Das ist immerhin tröstlich, doch belegen sowohl der Balkan-Krieg als auch der Konflikt um die Ukraine, dass Europa keine heile, krisenfreie Zone ist.

Das sah zeitweise anders aus.

Hatte nicht  Francis Fukuyama mit seinem fulminanten Essay "Das Ende der Geschichte" die Europäer die Menschen des alten Kontinents in Sicherheit gewiegt? Fukuyama vertrat die These, dass sich nach dem Zusammenbruch der UdSSR und der von ihr abhängigen sozialistischen Staaten bald die Prinzipien des Liberalismus in Form von Demokratie und Marktwirtschaft endgültig und überall durchsetzen würden. Aber das war ein Irrtum.

Zwar feierten Kapitalismus und ein entfesseltes westliches Wirtschaftssystem zunächst einen Erfolg nach dem Anderen. Und selbst die spezielle deutsche Variante der Sozialen Marktwirtschaft schien von einem ungebremsten Wirtschaftsliberalismus hinweggefegt zu werden. Die Demokratie fand auch in geopolitischen Zonen, die lange durch Diktaturen und autoritäre Regime geprägt waren, bemerkenswerte Unterstützung.

Doch schon "Nine Eleven", der 9. September 2001,  war ein Beleg dafür, dass die Gespenster keineswegs vertrieben waren. Fukuyamas Hoffnung auf ein Ende der Geschichte war eine Illusion.  Das ist die Ausgangsbasis für alle Überlegungen.

Joschka Fischer schreibt: "Die Gefahren und Bedrohungen von heute finden an Europas Rändern statt."

Als Konsequenz verlangt er eine gemeinsame europäische Außenpolitik, eine gemeinsame europäische Sicherheitspolitik. "Deshalb müssen die Staaten der Union dringend die Integration vertiefen." Aber ist dies realistisch? Wir glauben es nicht, und Fischer ist auch skeptisch. Er kritisiert, dass die Europäer von einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, die angesichts der neuen Gefahren und der notwendigen neuen Antworten zwingend notwendig wäre, "leider immer noch weit entfernt" sind.

Und deshalb macht der Machtpolitiker Wladimir Putin weiter, was er will.

Armin König         

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